Es sind ungefähr 50 Evangelische Hochschuldialoge, die die Evangelische Akademikerschaft in Deutschland e.V. (EAiD) in der ganzen Bundesrepublik mit Förderung durch die EKD veranstaltet hat. Sie wollen die Fakultäten ins Gespräch bringen, sich gegenseitig über Sinn oder Unsinn ihres Forschens und Handelns befragen. Nicht in jedem Fall ist “business as usual” angesagt im Blick auf die Probleme der Gegenwart und das Auseinanderklaffen von Arm und Reich auf unserer Erde.
Für Tübingen war der Hochschuldialog 2013 eine Premiere: Ein Hochschuldialog, veranstaltet von der Evangelischen Akademikerschaft in Kooperation mit der Evangelisch-Theologischen Fakultät (Moderatorin: Professorin Dr. Birgit Weyel) und der evangelischen Studierendengemeinde (kurzes Schlusswort: Studentenpfarrer Michael Seibt). Dabei richtete sich die Aufmerksamkeit insbesondere auf Dr. Nikolaus Schneider, den Ratsvorsitzenden der EKD. Sein Freund, der leider vor kurzem verstorbene Professor Dr. Volker Drehsen, hatte ihn für das ungewöhnliche Projekt gewonnen: einen öffentlichen Diskurs von Theologen mit Politik- und Wirtschaftswissenschaftlern zum Thema “Geld regiert die Welt – und wer regiert das Geld?”
Immerhin gab es bei dieser Premiere gut 150 Teilnehmende. Vielleicht hatten manche sich gefragt, ob das gut gehen könne: Zwei so verschiedene Welten an einen Tisch zu bringen zu der Frage, wer denn hier Herr sei im Hause: Geld oder Gott?
Zwar konnte nicht erwartet werden, dass man sich auf eine klare Antwort einigen würde, aber es wurden doch manche zum Nachdenken gebracht: Professor Dr. Jens Grunert, dessen Fachgebiet die Bankwirtschaft war, hatte sich zu Beginn seines Podiumsbeitrags als lupenreiner Neoliberaler geoutet: “Die Märkte müssen sich selbst regieren”, war sein Credo, und mit dem Begriff Ethik wisse er in diesem Zusammenhang nichts anzufangen. Dem gegenüber stellte Nikolaus Schneider fest, ohne eine Ethik gehe jedes Vertrauen in der Wirtschaft verloren – und Jens Grunert war immerhin am Ende bereit, über dieses Thema nachzudenken. Umgekehrt mussten sich die Theologen (und Politiker) sagen lassen, dass alles nicht so einfach ist mit dem Regieren in einer ungemein komplex gewordenen Welt. Dr. Schneider hatte zuvor in seinem Referat biblisch gut begründet deutlich gemacht: Reichtum muss dem Wohl der Allgemeinheit nutzen, und eine wirksame Regulierung der Finanzmärkte ist eine Voraussetzung für mehr Gerechtigkeit. Dem setzte Professor Dr. Josef Schmid, Dekan der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät entgegen: “Gut gemeint ist nicht immer gut”, da die Folgen des Handelns in einem komplexen System schwer abzuschätzen seien.
So ging es in der Diskussion auf dem Podium und mit dem Publikum zum Beispiel darum, ob eine Finanztransaktionssteuer oder ein Trennbankensystem geeignete Mittel seien, um mehr Gerechtigkeit zu erreichen.
Ein Effekt der Veranstaltung war sicher, dass sich die EAiD hier in einem bedeutsamen Kontext darstellen konnte. Vor dem Hörsaal konnte man vielerlei Material der EAiD sichten und mit Verantwortlichen ins Gespräch kommen. Dazu gesellte sich kurzfristig auch die ökumenische Entwicklungsgenossenschaft Oikocredit mit einem kleinen Stand. Aber in gewissem Sinn wurde so deutlich, in welche Richtung eine kirchliche Antwort gehen könnte zur Frage, wie das Geld regiert werden könnte: Indem es – wie bei Oikocredit schon seit der Entstehungszeit propagiert – unter den Geist kommt und in einem “getauften Kapitalismus” heilsame Wirkungen entfaltet: zum Beispiel in Form von günstigen Krediten für ärmere Bevölkerungsschichten in aller Welt.
Dr. Schneider sprach davon: Auch wenn nicht alle Folgen von vornherein abschätzbar seien, müsse es doch riskiert werden zu handeln. Erfolgreiche Beispiele wie Oikocredit zeigen: Wenn die Kirche bereit ist, dazu Modelle zu entwickeln und Lernprozesse in Gang zu setzen, kann das dazu führen, dass Geld nicht zum Selbstzweck wird, sondern als Mittel dient zu mehr Gerechtigkeit.
Johannes Dürr