Christen im Nahen Osten – Eindrücke vom Hochschuldialog in Halle

Am 30. Oktober 2015 versammelten sich Interessierte und Freunde der Ev. Hochschul- und Studierenden-Gemeinde Halle und Mitglieder der Ev. Akademikerschaft aus Nah und Fern zum Hochschuldialog in der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Die Veranstaltung wurde von der Vorsitzenden der Ev. Akademikerschaft Dorothee Teschke sowie dem Studierenden- und Hochschulpfarrer Johann-Hinrich Witzel der ESG Halle eröffnet.

Das Hauptreferat zum Thema „Auf dem Weg zu einer neuen Friedensethik“ übernahm Dr. Johannes Friedrich, Nahost-Beauftragter der EKD. Sein Hauptanliegen bestand darin, den Einzelnen in der aktuellen Situation zunehmender Schrecken durch Gewalt, Terrors und Krieg anzusprechen. Echtes Engagement für den Frieden – so Friedrich – wird nicht zuletzt konfrontiert mit eigener Angst und Aggression, eigenen Hassgefühlen …, eigener Friedlosigkeit und Gewalt und eigener Schuld.

Dr. Friedrich führte aus, dass für Christen wirklicher Friede im Gebet beginnen müsse: „Nur so wird uns gegenwärtig, dass wir Menschen vor Gott sind. Wir lernen, den Menschen mit Gottes Augen zu sehen und aus der Liebe Gottes zu schöpfen.“ Beten und Tun des Gerechten (Bonhoeffer) sind aufeinander zu beziehen und müssen zu einem Handeln der Kirche führen. Dieses Handeln verwirklicht sich in der Macht des Dialogs und im Eintreten für die Herrschaft des Rechts.

Die Diskussion der Teilnehmer gipfelte in der Fragestellung, inwieweit ein Ringen um Frieden ohne den Einsatz militärischer Gewalt überhaupt möglich sei: Muss eine internationale Friedensordnung nicht gewährleisten, dass notfalls Gewalt eingesetzt wird, um Leib und Leben Unschuldiger zu schützen und Terror zu beenden? Somit wäre Gewalt nur mit der Mobilisierung eines noch größeren Gewaltpotentials zu beherrschen? Eine definitive Antwort blieb aus.

Dr. Christine Schweitzer, tätig in der „Förderung Gewaltfreier Aktionsgruppen“ sowie im „Verbund für Soziale Verteidigung“ in Minden, informierte ihre Zuhörer in der anschließenden Powerpoint-Präsentation über „Syrien, das Land, aus dem die Menschen fliehen“. Sie veranschaulichte die durch kriegerische Einwirkungen hervorgerufenen aktuellen Flüchtlingsströme im Nahen Osten, erläuterte die Entstehung der Konfliktsituationen und analysierte deren Auswirkungen. „Ursachenbekämpfung kann nur in den Herkunftsländern selbst stattfinden“, so Schweitzer, „wobei die Frage, wie dies geschehen könnte, offen bleibt.“

Den Abschluss des Hochschuldialogs bildete die Podiumsdiskussion „Tun des Gerechten“ mit fünf Experten zu Fragen der Friedensethik, u.a. mit Frau Prof. Drost Abgarjan, Orientalisches Institut an der Martin-Luther-Universität Halle, und Jörgen Klußmann, Studienleiter an der Ev. Akademie im Rheinland. Klußmann führte aus, dass in der Flüchtlingsproblematik nicht nur die finanzielle, politische oder soziale Herausforderung entscheidend sei, sondern vor allem auch eine emotionale Komponente eine Rolle spiele. „Menschen, die hierher kommen, können uns als bedrohlich erscheinen, diffuse Ängste auslösen. Hier geht es um Gefühle und keine rationalen Überlegungen“, so Klußmann. Eine Voraussetzung für die Entschärfung eskalierender Situationen sieht er im Sinne einer Konfliktbearbeitung zunächst in der „Anerkennung“ der Verlust- und Bedrohungsgefühle. Für die Arbeit mit Flüchtlingen und deren Integration muss eine „Aufarbeitung“ wesentlicher Bestandteil sein. Erst dann wird der Mensch befähigt werden „soziale Versöhnungsarbeit“ zu erfüllen. In Kürze erscheint sein Buch „Fremde in der Heimat – eine emotionale Herausforderung“.

Der Hochschuldialog in Halle hat die unterschiedlichsten Bereiche aktueller Friedensproblematik angesprochen und auch persönliche Sichtweisen und Betroffenheiten nicht außen vor gelassen. Viele Stimmen wünschten die Fortführung eines Dialogs auf dieser Ebene sowie die erfolgreiche und vertrauensvolle Kooperation zwischen EA und ESG.

Dorothee Teschke, Bundesvorsitzende der EAiD