Zwei Bezüge zwischen Glauben und Wissen Impuls 1

Als sich der menschliche Geist begann, von tradierter, kirchlicher Dogmatik zu befreien, dabei den Zweifel zur Methode ausbaute und die Natur selber zu befragen begann, erschien bald „nur Geglaubtes” klein im Vergleich zu empirisch Gewusstem. Man kann sich mit rationaler Vernunft vieles denken: Dass die Erde das Zentrum der Schöpfung und die Planeten samt Sonne um sie kreisen. Dass alle Bewegung danach strebt zur Ruhe zu kommen. Nichteuklidische Geometrien. Doch was davon zutreffen könnte und was zu verwerfen ist, lehrt nicht der theologische Blick in die Bibel, sondern das Experiment an der Natur. Der „kleine“ Glaube hat beständig zu fürchten, dass seine „Wahrheiten“, sofern sie in Wirklichkeit nur Vermutungen sind, in Widerspruch zum Wissen über die Realität geraten. Im Verhältnis zum Wissen ist ein solcher Glaube schwach. Und er ist sogar verzichtbar, sobald er durch Wissen ersetzt werden kann. Doch wer meint, damit das Wesentliche des Glaubens erfasst zu haben, hat das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.

Denn auch das naturwissenschaftliche Wissen hat eine wesentliche Schwäche (abgesehen davon, dass es seinerseits jederzeit von neuen Erkenntnissen überholt werden kann): Es weiß nichts mit sich anzufangen. Vom Wissen allein wird weder neues Wissen erforscht noch bekanntes Wissen angewendet. Es weiß weder von Zwecken noch von Sinn. Es will auch nichts, hat keine Intentionen, ist nicht motiviert etwas mit sich anzufangen. Die Zusammenhänge sind, wie sie sind und nicht darauf angewiesen, dass Menschen von ihnen Kenntnis erlangen. Warum Menschen sich Wissen aneignen und was sie damit anfangen, liegt in ihnen als Subjekt, diesseits der Objektschwelle. Im Subjekt – so kennen wir es von uns selbst – gibt es ein Wollen, das sich des Wissens bedient, ja dieses überhaupt erst in Bezug auf seine Absichten erarbeitet. Nicht „Wissen ist Macht“, sondern das Wollen, das sich des Gewussten zu bedienen weiß, ist mächtig. (Ein Wollen, das sich alles Wissbaren zu bedienen wüsste, wäre allmächtig.) Hier, in diesem dem Wissen übergeordneten Reich, hat jener Glaube seinen Platz, von dem Glaubende z.B. sagen, dass er sie im Leben trägt. Relativ zum Wissen könnte man ihn „großen“ Glauben nennen, da er in jenem Team spielt, das über die Erarbeitung und Anwendung von Wissen gebietet.

Was es mit diesem Glauben auf sich hat, was religiöse Traditionen, insbesondere unsere christliche Tradition, aber auch die geisteswissenschaftliche, philosophische Reflexion darüber sagen kann, steht im Zentrum des Interesses unseres Arbeitskreises. Wir sehen darin die treibende Kraft hinter den individuellen und kollektiven Handlungen der Menschen. Diese treiben in Summe die Weltgestaltung voran, in deren Geschichte wir mittendrin stehen. Wir interessieren uns auch für die in der Weltgestaltung tatsächlich wirksamen Glaubensformen und was an diesen sogar gefährlich ist. Schließlich ist die derzeitige Entwicklung nicht nachhaltig und bringt uns damit in große Gefahr. Wir wissen inzwischen viel über diese Gefährdungen. Es ist dringend geboten, dass der kollektive Glaube dieses Wissen zur Kenntnis nimmt, damit unser Handeln keine katastrophalen Effekte nach sich zieht. Wenn der tradierte, christliche Glaube dazu einer Reform bedarf, so ist diese dringend geboten. Wenn sich herausstellt, dass der Kern der christlichen Botschaft bereits alle notwendigen Elemente für eine konstruktive Weltgestaltung enthält, so sind diese (wieder und für heutige Menschen verständlich) dem bewussten Handeln zugänglich zu machen.

WD

 

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