Alte Mythen verorten den Menschen in einem Kosmos aus Natur und Götterwelt. Dagegen sind die ersten Worte der Bibel gesetzt: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ Der Kosmos ist hier keine Bühne himmlisch-göttlicher Leidenschaften und irdisch-menschlicher Schicksale. Beides, Himmel und Erde, sind die Schöpfung Gottes, der ihr als Schöpfer jenseitig gegenüber steht.
1543 stellte Nicolaus Kopernikus sein heliozentrisches Weltbild vor. Galileo Galilei stützte es mit seinen Teleskopmessungen, aus denen Johannes Kepler die elliptischen Planetenbahnen ableiten konnte. Schließlich gelang es Isaac Newton 1687, Keplers Gesetze aus seiner Mechanik zu erklären. In dieser Kosmologie ist alle Substanz passive Masse, auf die äußere, sie bewegende Kräfte einwirken, sowohl im Sternenhimmel, als auch auf Erden. Ihr stehen – jenseits – die ewigen Gesetze der Mathematik gegenüber, unbewegte Beweger, die das kausal getriebene Weltgeschehen aufrechterhalten und ihm Raum und Zeit geben.
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts befinden wir uns erneut in kosmologischen Umwälzungen. Damals gab es in der Physik zwei ungeklärte Probleme: Einige Effekte des Lichts ließen sich nicht erklären. Das führte Max Plank zur Quantenphysik. Zum anderen gab es offenbar keinen Äther, jenes Medium, in dem sich das Licht ausbreiten sollte. Das führte zur Relativitätstheorie von Albert Einstein. Seither hat sich ein sogenanntes Standardmodell der Kosmologie herausgeschält, das von einem Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren ausgeht, der ein Universum hervorbrachte, das sich in mehreren Phasen bis zur heutigen Ära der bekannten Materie entwickelte.
Doch auch hier gibt es zwei Probleme. Zum einen gelingt es nicht, eine Theorie zu finden, die erklärt, dass unser Universum so sein muss, wie es ist. Man hört von der String-Theorie oder der Schleifenquantengravitation, die für solche Erklärungsversuche stehen. Hierzu gesellt sich auch die Idee eines Multiversums: So wie unter vielen Sternen mit Planeten unsere Erde zufällig die Bedingungen für Leben erfüllt, so könnte es unzählige Universen geben, und das unsrige erfüllt zufällig genau jene Bedingungen, dass es uns geben kann.
Das andere Problem ist empirisch und zeigt sich in den Messungen gewaltiger Teleskope. Um mit den bekannten physikalischen Gesetzen das Beobachtete erklären zu können, müsste das Universum aus etwa 27% „dunkler Materie“ und 68% „dunkler Energie“ bestehen. „Dunkel“ heißt: vermutet allein aufgrund ihrer Wirkung auf die sichtbare Materie, welche nur 5% von Allem ausmacht.
Und wie können wir uns heute in all dem verorten? Die moderne Kosmologie möchte uns ohne Rückgriff auf Jenseitiges umfassend orientieren. Heraus kommt ein winziges, belangloses Staubkorn, unsere Erde, in einem Universum, über das wir so viel wissen und das wir dennoch nicht verstehen. Doch auf dieser Erde explodierte eine lebendige Formenvielfalt und entzündete schließlich im Menschen den Funken des Bewusstseins, das Anderes – Geistiges, auch Jenseitiges – wahrnimmt, als Teleskope erfassen können.
W.D.
(Dieser Beitrag erschien im November 2023 auch in den evangelischen aspekten zum Thema “Jenseits”.)
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Dies ist eine hervorragende Zusammenfassung und Formulierung des ganzen gedanklichen Werdegangs aber auch des Dilemmas, welches das Weltbild unseres Kulturkreises durchlaufen hat.
Das Zerwürfniss wird nicht kleiner, wenn man zusätzlich bedenkt daß ein naives “Schaffen von Himmel und Erde und was darinnen ist” nicht nur einer alten Götterwelt entgegen steht, sondern auch so manchen Erkenntnissen die man der Schöpfung selbst bisher entreißen konnte.