Zur Corona Pandemie – Gemeinwohl geht vor Eigennutz

Nichts geht mehr in Deutschland. Der Corona Virus legt bis auf Weiteres das öffentliche Leben lahm. Auch die Delegiertenversammlung der EAiD, die im April in Hofgeismar hätte stattfinden sollen, ist wie alle anderen Veranstaltungen dieser Art der Epidemie zum Opfer gefallen.

Wir vom Bundesvorstand haben uns schon frühzeitig zu einer Absage entschlossen, weil wir den gesundheitlichen Schutz der Delegierten für wichtiger halten als das aktuelle Interesse, diese Versammlung termingerecht durzuführen. Das sind wir auch den allgemeinen Bemühungen schuldig, der weiteren Ausbreitung der Pandemie  entgegenzuwirken.

Jörg Winter
Dr. Jörg Winter, Bundesvorsitzender

Wir bedauern die Notwendigkeit dieser Absage vor allem auch deshalb, weil wir mit Aleida Assmann eine renommierte Referentin gewonnen haben, die zum Thema „Gemeinsinn – Was ihn bedroht und was man dagegen tun kann“ hätte referieren sollen. Ein wahrhaft aktuelles Thema! Die Einschränkungen, die wir zu der Bekämpfung der weltweit grassierenden Corona Epidemie derzeit hinnehmen müssen, sind der unmittelbare Praxistest wie es mit dem „Gemeinsinn“ in unserer Gesellschaft bestellt ist. Diesen zu praktizieren, fällt uns deshalb so schwer, weil unser gesamtes Rechts- und Gesellschaftssystem auf die Sicherung unserer individuellen Grundrechte und Freiheiten ausgerichtet ist. Das hat seine guten Gründe und die aktuelle Krise darf nicht als Vorwand dazu dienen, diese dauerhaft abzubauen, bei allem Verständnis für die aktuell notwendigen Maßnahmen. Die Corona-Krise ist zugleich der Bewährungsfall für die Fähigkeit, sie mit den Mitteln des demokratischen Rechtsstaates zu lösen. Dafür bedarf es der Vernunft und der Einsicht von uns allen in das jetzt Erforderliche, um die Notwendigkeit staatlicher Zwangsmaßnahmen so weit wie möglich zu reduzieren. Niemand kann ja ein Interesse daran haben, eine „Gesundheitsdiktatur“ zu etablieren, wie sie in der Presse schon beschworen worden ist.

Wenn man der Epidemie und ihren Folgen etwas Gutes abgewinnen will, dann ist es vielleicht dieses, dass die freiwillige Bereitschaft zur Rücksichtnahme auf das „gemeine Wohl“ wieder an Gewicht gewinnt und zu notwendigen Korrekturen eines rücksichtslosen Individualismus beiträgt, wie er sich in unserer Gesellschaft in vielfacher Hinsicht breit gemacht hat. Im christlichen Sprachgebrauch nennt man das auch Nächstenliebe, weil es um den Schutz vor allem der Menschen geht, die aufgrund ihres Alters oder anderer Erkrankungen durch die Seuche besonders gefährdet sind.

Man könnte versucht sein, das auf die Formel zu bringen „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“. Diese ist allerdings seit langem diskreditiert, denn sie fand sich schon im Parteiprogramm der NSDAP vom 24. Juni 1920. Damals mit dem Ziel, den „jüdisch-materialistischen Geist in und außer uns“ zu bekämpfen. Staatsbürger sollte nur sein, wer Volksgenosse ist und Volksgenosse nur wer deutschen Blutes ist. Wir alle wissen, wohin diese nationalistisch-rassistische Pervertierung des Gemeinwohls im „Dritten Reich“ geführt hat. Der damals beschworene „Gemeinnutz“ ist das genaue Gegenteil dessen, was heute von uns als „Gemeinsinn“ gefordert ist. Der braune Virus, mit dem unser Volk durchseucht worden ist, hat wesentlich mehr Schaden angerichtet als jede Krankheit und fordert bis heute seine Opfer. Der aktuelle Kampf gegen den Corona Virus darf deshalb nicht dazu führen, die Gefahr aus dem Auge zu verlieren, die unserem friedlichen Zusammenleben und den Wertsetzungen unserer freiheitlich demokratischen Gesellschaftsordnung von dieser Seite  droht. Dazu gehören vorrangig der wieder um sich greifende Nationalismus, die Feindseligkeiten gegen Ausländer und Minderheiten und ein Antisemitismus, der sich wieder ungeniert äußert. Auch der Skandal um das Schicksal der Flüchtlinge in den überfüllten Lagern in Griechenland, die Situation an der Grenze zur Türkei, das Leiden der Menschen in Syrien und der Klimawandel, der die Existenz der Menschheit langfristig viel stärker bedroht als eine letztlich vorübergehende Virus Epidemie, sind fast vollständig aus der Berichterstattung unseren Nachrichtenmedien verschwunden. Diese Themen werden uns  mit Sicherheit einholen, wenn das Leben sich wieder normalisiert hat. Man kann nur hoffen, dass sich Politik und Gesellschaft diesen dann mit ebenso großem Engagement widmen, wie sie es derzeit zur Bekämpfung der Corona Infektion tun.

Dr. Jörg Winter