Totgesagte leben länger Ein Rückblick auf die Time out Tagung der jungen Akademiker/innen im Herbst 2017

Säkularisierung, Bedeutungsverlust der christlichen Kirchen – der Abgesang auf das Christentum scheint gefühlt fast eine längere Tradition zu haben als das Christentum selbst. Der Kreis der Personen, mit denen man sich darüber austauscht, ist sehr begrenzt; Kollegen am Mittagstisch, Bekannte aus der Kirchengemeinde, vielleicht ein Gespräch beim Frisör. Aber wie verhält es sich wirklich?

Gibt es belastbare Daten, die zeigen, wohin christliche Werte, christlicher Glaube und die christlichen Kirchen sich bewegen? Die Daten, die Prof. Dr. Heiner Meulemann (Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln) dazu zeigen konnte, sind schon sehr umfassend. Und sie sind gerade im Licht heutiger wissenschaftlicher Praxis etwas sehr Besonders, da gewisse Personengruppen teilweise über mehrere Jahrzehnte hinweg befragt wurden. Da das Material so umfänglich ist, möchte ich hier auch nur auf einzelne Aspekte eingehen, die im Rahmen der Time-out-Tagung zum Thema „Säkularisierung und die Wiederkehr der Religionen“ diskutiert wurden und mir als wichtig erscheinen.

1. Ja, der Wertewandel in der zweiten Hälfe des 20. Jahrhunderts hat auch vor den Kirchen und christlichen Vorstellungen nicht halt gemacht. Während die Menschen in Westdeutschland Anfang der Fünfziger ihre persönliche Identifikation noch im Glauben sowie im Beruf gesucht haben, fand das Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger in vermehrtem Maße in der Freizeit statt. Glaubt man den Befragungen, dann sind all die Indikatoren wie zugeschriebene Religiosität, die Häufigkeit des Gebets, der Glaube an Gott und an ein Leben nach dem Tod im Zeitraum von ca. 1980 bis 2008 in Westdeutschland deutlich zurückgegangen. Weiteren Statistiken zufolge ist der Glaube einer – vielleicht auch kritisch motivierten – Unsicherheit gewichen. Interessanterweise gilt das nicht für die Wichtigkeit, die gewissen Feiern biografischer Übergänge wie Taufe, Hochzeit und Beerdigung beigemessen werden – die Riten scheinen weiterhin wichtig zu sein.

2. Was für Deutschland gilt, gilt keineswegs wo anders. Ein Blick in die anderen Staaten in Europa zeigt große Streuungen im Ausmaß der Säkularisierung, aber auch richtige qualitative Ausnahmen wie Italien, Malta oder Irland, in beiderlei Richtung. In einigen osteuropäischen Staaten lässt sich nach anfänglicher Zunahme der Säkularisierung nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, im Zeitraum zwischen 1995 und 2008 sogar eine leichte Erholung oder zumindest Konsolidierung feststellen.

3. Oft werden im Zusammenhang mit der Säkularisierung alternative Religionen angeführt, die das Christentum angeblich verdrängen oder zumindest ergänzen sollen. Es ist von individuell zugeschnittenen „Baukastenreligionen“ die Rede, die oft auch Aspekte der Esoterik mit einbeziehen. Ein Blick auf die Zahlen zeigt aber, dass in Deutschland zumindest im Zeitraum zwischen 2002 und 2012 keine signifikante Zunahme stattgefunden hat, allenfalls in sehr geringem Maße bei fernöstlichen Heilmethoden.

Schade nur, dass die neuesten Daten von 2012 sind. Einige Teilnehmer der Tagung berichteten, dass sie gerade in den letzten Jahren wahrnehmen, dass kirchliche Angebote an Attraktivität verlieren. Daten neueren Datums wären in diesem Zusammenhang auf sehr großes Interesse gestoßen.

Unser ganz besonderer Dank gilt Frau Rankowski für ihre erstklassige Betreuung der „Kinder“ vom Kindergartenalter bis zum Teenager. So konnten die Eltern sich ganz auf die – doch sehr anspruchsvolle – Tagung konzentrieren und in geselliger Runde auch noch etwas Spaß haben.

Dr. Reza Kharrazian
Vorsitzender im LV Bayern und Mitverantwortlicher für die Time out Tagung