Bilder und Nachrichten konfrontieren uns in diesen Tagen mit den hässlichen Begleiterscheinungen dieser Herrschaft des Menschen über die Natur. Einäugig starren uns die halbierten Schweineköpfe aus der Großschlachterei Tönnies an, Symbol der industriellen Massentierhaltung und Fleischverarbeitung. Auch Klimawandel und andere Folgen der Ausbeutung unseres Planeten können wir, trotz Corona-Pandemie, nicht mehr ausblenden.
„Macht Euch die Erde untertan“ – der evangelische Theologe Jürgen Moltmann hat in seiner „Ökologischen Schöpfungslehre“ u.a. darauf hingewiesen, dass dieser Satz aus der Bibel (Gen 1,28) eigentlich gar nicht zur Herrschaft über unseren Planeten, sondern nur zur Kultivierung des Landes durch den Menschen aufruft. Also alles nur ein Missverständnis? Kaum, denn wiederholt wird der Mensch in der Bibel zur Herrschaft über die Natur aufgefordert oder diese legitimiert (z.B. Gen 1,26; Psalm 8,7). Ist das Christentum also verantwortlich für unsere „ökologische Krise“ (J. Moltmann), wie z.B. der Publizist Carl Amery und der Theologe Eugen Drewermann behaupten? Oder äußert sich im Auftrag der Bibel nicht vielmehr ein nüchterner Blick auf die Natur des Menschen, der Kraft seiner analytischen, technischen, organisatorischen und sozialen Fähigkeiten seine Umwelt prägen und formen kann? Und gilt es nicht, diese Rolle als treuhänderischer Sachwalter der uns anvertrauten Erde auch bewusst anzunehmen?
Auch nachhaltiges Wirtschaften setzt den gestaltenden Menschen voraus; er soll sein Handeln nun aber darauf ausrichten, Lebensperspektiven für die Mitgeschöpfe und die eigene Spezies zu wahren. In unserem Erdzeitalter, dem Anthropozän, prägt der Mensch die Biosphäre (u.a. auch das Klima) – dieser Aufgabe kann er sich nicht entziehen. Ein „Zurück zur Natur“ ist reine Illusion, Romantizismus, Eskapismus. Schon unsere steinzeitlichen Vorfahren formten ihre Umwelt, indem sie Großtiere wie das Mammut intensiv bejagten und dadurch dezimierten oder gar ganz ausrotteten – offenbar brauchten sie dafür keinen biblischen Auftrag. Generationen von Ökologen hielten den Buchenwald für die „potenzielle natürliche Vegetation“, die sich ohne menschliche Bewirtschaftung fast überall bei uns ausbreiten würde. Inzwischen gilt dieses Konzept als fragwürdig, weil das Großwild auch nach dem Rückzug des Menschen ausgedehnte Bereiche waldfrei halten würde, hätte es der Mensch nicht zuvor ausgerottet (sog. Megaherbivoren-Hypothese). Also was ist nun der „Naturzustand“?
Zum christlichen Erbe gehört auch die Rede von der „Schöpfung“, die auf Gott als Ursprung und Erhalter der Welt verweist. Damit ist ein starker Auftrag zur treuhänderischen Verwaltung des uns Anvertrauten verbunden. „Natur“ dagegen ist indifferent, ggf. nur wirtschaftlich verfügbare „Ressource“. „Listen to the scientists“ wird gefordert, aber Wissenschaft liefert Fakten und mögliche Szenarien, ohne normativen Gehalt. Ihr liegt, zumindest implizit, ein materialistisches Weltbild zugrunde. Das Unbehagen daran wächst auch in den Biowissenschaften, wie an der wieder aufflammenden Diskussion um eine der Evolution innewohnende Teleologie abzulesen ist.
Wir im AK „Frieden, Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit“ der EAiD werden uns weiterhin mit den hier angesprochenen Themen beschäftigen, hoffentlich auch bald wieder im persönlichen Austausch!
Lars Wegner