Elite für andere Wie sich die Evangelische Kirche neu für Eliten zu öffnen versucht

In einer Stellungnahme zum EKD-Papier „Evangelische Verantwortungseliten. Eine Orientierung“ begrüßt der ea-Arbeitskreis „Evangelische Bildung und Verantwortung“ spezielle geistliche, kommunikative und intellektuelle Angebote der Kirche für Menschen in gesellschaftlichen Leitungspositionen. Zugleich warnt er davor, die Zielgruppe der “Evangelischen Verantwortungseliten” mit einem High-Society-Milieu zu verwechseln.

Unter dem Titel „Evangelische Verantwortungseliten. Eine Orientierung“ hat die EKD im Frühjahr 2011 ein Positionspapier veröffentlicht, das programmatisch eine neue Annährung an den Elite-Begriff und eine neue Öffnung der Kirche für gesellschaftliche Eliten vertritt (EKD-Texte 112, PDF-Download unter http://www.ekd.de/download/ekd_texte_112.pdf). Wie im „Fazit“ des Textes formuliert, will er „eine Auseinandersetzung mit dem Begriff der ‚Elite‘“ eröffnen und „einen verstärkten kirchlichen Kontakt zu den gesellschaftlichen Eliten“ anregen. Damit nimmt der Text Anregungen des EKD-Impulspapiers „Kirche der Freiheit“ von 2006 auf, in dem u.a. als kirchliche Aufgabe formuliert worden war, die „Verbindung zu den gesellschaftlichen Eliten“ zu stärken. Besondere Aufmerksamkeit sollten dabei „protestantische Eliten“ erfahren. Gemeint waren damit „engagierte evangelische Christen in Bildung und Kultur, in Politik und Wirtschaft, in Redaktionen und Wissenschaft“, die „als Multiplikatoren in weltlichen Berufen […] an ihren Orten gut von Gott und dem Glauben reden“. Solche Protestanten sind nach den Worten von „Kirche der Freiheit“ ein Segen für die Kirche wie für die Gesellschaft; sie sollten in ihrem Einsatz und ihrer Beziehung zur evangelischen Kirche bewusst gefördert werden“.

Die jetzt vorgelegte „Orientierung“ versuchte, eine theoretische Grundlegung für eine solche Öffnung gegenüber Eliten und der damit verbundenen positiven Aufnahme des belasteten Elitebegriffs zu liefern. Denn dass gesellschaftliche Eliten in „Kirche der Freiheit“ als besondere Zielgruppe kirchlichen Handelns genannt wurden und engagierte evangelische Christen dort als „protestantische Eliten“ benannt wurden, war angesichts des großen Bogens, den man auch kirchlicherseits lange um den Elite-Begriff gemacht hatte, durchaus überraschend. So ist die jetzt vorliegende EKD-Veröffentlichung denn auch um eine Rehabilitation des Elite-Begriffs bemüht, allerdings nicht ohne Bedenken gegen den Begriff und seine Tradition aufzunehmen und zu diskutieren.

Ins Zentrum stellt das EKD-Papier den Begriff der Evangelischen Verantwortungselite; dieser zielt „auf evangelische Christen, die ihre gesellschaftlichen Aufgaben aus einer christlichen Überzeugung heraus wahrnehmen“ (S. 7). „Nach evangelischem Verständnis“, schreibt der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider in seinem Vorwort, „konstituiert sich Elite neben dem schlichten Vorhandensein von Gaben, Fähigkeiten und Gütern auch durch eine besondere Haltung und eine besondere Motivation: Der Reichtum von Gaben, Fähigkeiten und Gütern wird eingesetzt, um für andere Menschen und für das Gemeinwesen da zu sein“ (S. 5). Im Text der „Orientierung“ selber heißt es dann: „Von einer evangelischen Verantwortungselite spricht man sinnvollerweise dann, wenn sich Funktionsträger – im Rahmen der jeweiligen gesellschaftlichen Zusammenhänge und der mit ihnen verbundenen Anforderungen – dem Anspruch stellen, in besonderer Weise ‚verantwortlich‘, d.h. in Orientierung an den Grundeinsichten eines christlichen Lebens zu handeln“ (S. 23).

Den so skizzierten Begriff einer sozial verpflichteten christlichen Elite, einer „Elite für andere“ (S. 6), versucht das EKD-Papier stark zu machen, um gleichzeitig „die Mitglieder dieser Elite gezielt und differenziert von Seiten der evangelischen Kirche anzusprechen und einzuladen“ (S. 6). Dies geschieht nicht ohne Selbstkritik im Hinblick auf den üblichen kirchlichen Umgang mit dieser Zielgruppe: „In den vergangenen Jahrzehnten drohte ein falsch verstandener Egalitarismus in unserer Kirche zu verhindern, dass evangelische Verantwortungseliten ihre Kraft entfalten konnten“ (S. 5), schreibt Schneider. Gleichzeitig versuchen die Autoren der „Orientierung“, den Begriff der „Evangelische Verantwortungseliten“ aber auch von den traditionellen Belastungen des Elite-Begriffs frei zu halten: „Ausgeschlossen werden damit Vorstellungen von Elite, die nur an Herkunft, Besitz oder Bildungsstand anknüpfen. Dieser Text tritt für eine Vorstellung von Elite ein, die ohne jeden Abstrich an der gleichen Würde und dem gleichen Rang jedes Menschen, am gleichen Zugang von Frauen und Männern zu Verantwortungspositionen in Kirche und Gesellschaft sowie an der Befähigungs- und Beteiligungsgerechtigkeit für sozial Benachteiligte orientiert ist“ (S. 8). Ein kritischer Blick auf Eliten sei deshalb dort geboten, wo „mit diesem Status unverdiente Privilegien, die Verfestigung sozialer Ungleichheit, Arroganz bis hin zum Machtmissbrauch verbunden sind (S. 22f.). Andererseits könne sich aber für einen „evangelischen Blick“ auf das Elitethema nicht die Frage stellen, „ob es in einer Gesellschaft überhaupt Eliten gibt und geben darf. Das wäre“, so die Studie, „eine kurzschlüssige Übertragung eines auch in der Kirche aus guten Gründen nicht realisierten religiösen Gruppenideals der völligen Egalität auf gesellschaftliche Verhältnisse“ (S. 23). Als Konsequenz sei es Aufgabe der Kirche, einen „spezifisch evangelischen Beitrag zur Elitenbildung“ (S. 23) zu leisten.

Der Arbeitskreis „Evangelische Bildung und Verantwortung“ in der Evangelischen Akademikerschaft in Deutschland hat bereits 2010 eine Stellungnahme zu einer Vorfassung der EKD-Veröffentlichung erarbeitet. Darin wurden sowohl Einwände und Bedenken, aber auch Zustimmung zu Teilen des Papiers formuliert und dies in den EKD-internen Prozess der Endredaktion eingebracht. Mit dem ehemaligen EKD-Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber, der an der Erstellung der Endfassung maßgeblich beteiligt war, konnten diese Punkte im Oktober 2010 bei einer Veranstaltung der Evangelischen Akademikerschaft, Landesverband Pfalz/Saar, diskutiert werden. Die inzwischen von der EKD verabschiedete Version greift die eingebrachten Einwände an zahlreichen Stellen konstruktiv auf und formuliert die aktuelle offizielle EKD-Position. Da mit der Veröffentlichung der Endfassung die Diskussion um das Thema der Evangelischen Verantwortungseliten in der EKD wie in der Evangelischen Akademikerschaft hoffentlich einen neuen Impuls erhält, werden die nach wie vor gültigen Thesen aus der Stellungnahme des Arbeitskreises hier veröffentlicht. Wir hoffen damit, die Diskussion um das EKD-Papier zu fördern und zur kritischen Auseinandersetzung damit anzuregen.

Für den Arbeitskreis “Evangelische Bildung und Verantwortung” in der Evangelischen Akademikerschaft in Deutschland

Bertram Salzmann