„Zunehmende Gewalt unter Kindern!? Wie können wir damit umgehen?“ Rückblick auf den Frauensalon am 07.11.2023

Die Soziologin Ruth Abraham bot in der Online-Veranstaltung des FrauenSalons einen beeindruckenden Überblick auf die Entstehung von Gewalt und die Möglichkeiten des Umgangs damit. In ihren Ausführungen eröffnet sie einen soziologischen Blick auf das Thema und spannt den Bogen über die verschiedenen Formen und Ebenen der Gewalt, die psychische und physische Gewalt enthalten. Um Gewaltbereitschaft zu verhindern, sieht sie die sichere Bindungserfahrung als grundlegend. Hier spricht sie von vier Schritten, die eine Hilfestellung und ein Anfang für gelingende Beziehungen und gewaltfreie Kommunikation sind. Dabei darf Gewalt nicht als isoliertes Phänomen betrachtet werden. Die verstörenden Meldungen von Kindern, die Gleichaltrige verletzen und erniedrigen führt Ruth Abraham auf ein westliches Phänomen der Gewalterfahrung zurück, die eine Normalisierung der Gewalt an Kindern zulässt. Gewalttätige Kinder halten damit der Gesellschaft den Spiegel vor. Denn Gewalttätigkeit resultiert aus Gewalterfahrung. Hierbei gilt es die Vielzahl der Faktoren, die dazu führen, differenziert zu betrachten. Welche Auslöser gibt es? Ruth Abraham spricht vom ‚traumatischen Impact‘ und der ‚intergenerationalen Weitergabe‘, in der Gewalt und Gewalterfahrung an nachfolgende Generationen weitergegeben wird. Sie verweist auf das Buch “Erziehung prägt Gesinnung, wie der weltweite Rechtsruck entstehen könnte – und wie wir ihn aufhalten können” von Herbert Renz-Polster, der die Erfahrungen in der Kindheit mit den späteren politischen Gesinnungen in Verbindung bringt. Um Gewalt zu verhindern, gilt es einen Paradigmenwechsel vorzunehmen. Dieser beinhaltet die Überzeugung, dass Kinder von sich aus grundsätzlich miteinander klarkommen wollen. Das bedeutet eine andere Haltung auf der Beziehungsebene zu entwickeln. Das führt zur Einübung der Selbstkonfrontation: „Ich beobachte die Situation und möchte mich mit Dir verbinden.“! Sie thematisiert den Begriff der Resilienz auf der Beziehungsebene mit Kindern. Das führt zu einem geänderten Verhalten, hin zu Verständnis und Konfliktfähigkeit. Weg von der Diskriminierung von Kindern (Adultismus). Das heißt in Beziehung gehen und eine Bindung aufbauen, ob Kind, Jugendlicher oder Erwachsener —auf Augenhöhe mit dem Gegenüber sein. Ruth Abraham verweist dabei auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Bindungstheorie, die Liebe und Eigenständigkeit als wesentliche Parameter für zwischenmenschliches Handeln erachtet. Als Grundlage für die sichere Bindungserfahrung erläutert sie die Anwendung der eingangs genannten vier Schritte für die Praxis:

  1. Beobachten — die Situation genau beobachten. Sich zurücknehmen und fragen: Was passiert hier eigentlich?
  2. Gefühle — welche Gefühle nehme ich wahr? Mich und den anderen wahrnehmen.
  3. Bedürfnisse — wahrnehmen und fragen, welche erfüllten oder unerfüllten Bedürfnisse vorliegen. Dabei die Emotionen spüren und aktiv begleiten.
  4. Lösung – Lösungen für die jeweilige Situation aufzeigen.

 

Diese vier Schritte sind der Schlüssel zu einer friedvollen Elternschaft, die wiederum den Schritt in eine friedvollere Gesellschaft öffnen kann.

Jeder einzelne und jede einzelne hat es in der Hand, Verantwortung für sein Tun zu übernehmen und damit einen Weg für eine gewaltfreie Kommunikation und ein gewaltfreies Handeln im Miteinander zu ebnen.

Sie können den FrauenSalon als Audio-Mitschnitt nachhören:

Barbara Schmid, 08.11.2023.