Nachhaltige Entwicklung für eine zukunftsfähige Gesellschaft Rückblick auf die Jahrestagung 2014

2014 hatte die Jahrestagung der Evangelischen Akademikerschaft das Thema „Nachhaltige Entwicklung für eine zukunftsfähige Gesellschaft. Transformation als sozio-kulturelle Aufgabe“. Fünfzehn ReferentInnen und über sechzig Teilnehmende sorgten für eine gelungene Veranstaltung. Dr. R. Halberstadt berichtet über Positionen, Ergebnisse und Konsequenzen.

Die Jahrestagung fand in Kooperation mit der “Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft Heidelberg” (FEST) sowie dem “Institut für Kirche und Gesellschaft der Evangelischen Kirche von Westfalen / Evangelische Akademie Villigst” statt. Die Auseinandersetzung mit dem Thema und dem gewählten Schwerpunkt erwies sich als sehr ertragreich.

Programm der Tagung als PDF-Datei

Prof. Dr. Dirk Messner begründete die Notwendigkeit für eine wirksame Transformation aus internationaler Perspektive. Dabei vermittelte er wichtige Erkenntnisse aus Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU). Besonders hob er die Dringlichkeit des Handlungsbedarfs hervor, um die „Zwei-Grad-Grenze“ der Erderwärmung zu sichern. Trotz der Komplexität und Dramatik der Problemlagen zeigte er optimistisch stimmende Handlungswege auf.

Prof. Dr. Günther Bachmann entwickelte in seinem Vortrag aus nationaler Sicht zukunftsorientierte Perspektiven einer Nachhaltigkeitspolitik für Deutschland. Bei der Integration der Nachhaltigkeitsziele in die Fachpolitikbereiche ist noch viel zu tun. Das wird auch bei der Messung der Zielerreichung selbstgesetzter Ziele der Bundesregierung anhand festgelegter Indikatoren für 38 Indikatorenbereiche deutlich: davon sind 16 zieladäquat, 16 nicht und der Rest ist gemischt. Besondere Defizite erläuterte Bachmann an Beispielen aus den Bereichen Verkehr, Landwirtschaft, Ernährung, Energie, Artenschutz usw. Er regte an, die guten Ansätze in der Wirtschaft mit dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex in geeigneter Weise auch in den Kirchen zu übernehmen.

Aus verschiedenen Perspektiven wurde ausgelotet, wie der „Große Wandel“ zu mehr Nachhaltigkeit funktionieren kann: PD Dr. Uta von Winterfeld setzte aus politikwissenschaftlicher Sicht kritische Gegenakzente gegen den pragmatisch-ergebnisorientierten „optimistischen“ Ansatz in den WBGU-Gutachten. Sie identifizierte viele blinde Flecken, u.a. bei der Präzisierung des Verhältnisses von Ökonomie und Politik aus der Perspektive der Bedürfnisse des Menschen und der Menschenrechte. Entsprechend sind Ökonomie, Staat und Gesellschaft in ihrem Zusammenwirken kritisch vom Menschen her zu hinterfragen. Das gilt auch für die Verwirklichung der Geschlechtergerechtigkeit, die Beteiligungskultur und die soziale Dimension der Großen Transformation.

Prof. Dr. Torsten Meireis beleuchtete die ethischen Dimensionen der Transformationsdebatte aus theologischer Sicht. Dabei stellte er klar, dass die theologischen Positionen ohne Machtanspruch in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen sind. Im Einzelnen entfaltete er eine Fülle theologischer Argumente, insbesondere für eine Politik starker Nachhaltigkeit, eine Affinität zu einem Suffizienz-orientierten Lebensstil, eine Affinität zu sozialökologischer Nachhaltigkeit sowie zum Schutz der Biodiversität. Er unterstrich – auch in ökumenischer Hinsicht – die Notwendigkeit eines integralen Prozesses der Veränderung in der Perspektive der Hoffnung und Gerechtigkeit sowie der Bewahrung der Schöpfung.

Am Beispiel der Praxis dialogorientierter offener Bürgerbeteiligung in der Energiewende unterstrich Ina Richter die verbindliche und offene Beteiligung der Bürger als Erfolgsvoraussetzung für gelingende Transformationsprozesse. Sie verdeutlichte, wie viele ungelöste Probleme insbesondere bei komplexen Großprojekten noch zu bearbeiten sind, um sicherzustellen, dass Gemeinwohlinteressen und Partikularinteressen angemessen berücksichtigt werden.

Dr. Daniel Fischer berichtete von erfolgreichen Bildungsprojekten am Beispiel des Handlungsfeldes Konsum mit dem Ziel, die Gestaltungskompetenz zu stärken. Da es um Zukunftsgestaltung geht, hält er in keinem Fall Ansätze im Sinne einer „Katastrophenpädagogik“ für zielführend. Im Blick auf die Entwicklung neuer Narrative sieht er die Ansätze des WBGU und in der Projektfamilie Bildung für Nachhaltige Entwicklung in einem komplementären Ergänzungsverhältnis.

In den drei Transformationswerkstätten fand auf der Grundlage gelungener Projekte und wichtiger Erfahrungsimpulse ein vertiefender Austausch statt. Dabei wurden auch Erfahrungen mit hemmenden und fördernden Faktoren bei der Umsetzung unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen einbezogen, um neue Lösungsansätze zu entwickeln.

Wichtige Perspektiven und Bausteine für eine erfolgreiche nachhaltige Entwicklung wurden eingebracht aus dem Blickwinkel der Gesellschaft von Klaus Brunsmeier vom BUND, der Politik von Oliver Kaczmarek als Mitglied des Deutschen Bundestages sowie der Kirche von Thilo Hoppe als Vorsitzendem der Kammer für nachhaltige Entwicklung der EKD.

Oberkirchenrätin Cordelia Kopsch hatte als Leiterin der Projektstelle der EKD „Diskurs Nachhaltige Entwicklung“ bei der Vorbereitung der Tagung beratend mitgewirkt. Ihre zusammenfassende Würdigung der Tagungsergebnisse für die weitere Arbeit der Kirchen ist an anderer Stelle zu vertiefen. Hier nur eine knappe Zusammenfassung wichtiger Schlaglichter und Ausblicke:

Die Komplexität des Themenfeldes ist in allen Bereichen sehr hoch. Die Dringlichkeit von Veränderungen ist deutlich und muss in den Köpfen und Herzen geschehen. Dazu hilft das Evangelium als Orientierung und Verheißung. Bei der Bildung ist auch die „Herzensbildung“ ein wichtiger Aufgabenschwerpunkt der Kirche. Die vielen Erkenntnisse, Folgerungen und Vorschläge von Cordelia Kopsch fließen ein in die weitere innerkirchliche Arbeit, Schärfung und Konkretisierung der Positionierung der Kirche im Aufgabenfeld sowie in die Vernetzung mit den Aktivitäten anderer wichtiger Akteursgruppen in Gesellschaft und Staat.

Sich in den begonnenen Prozess auch weiterhin aktiv einzubringen, haben die Veranstalter in ihren Abschlussstatements mit konkreten Ankündigungen bekräftigt. Eine Dokumentation von Tagungsbeiträgen ist vorgesehen unter www.kircheundgesellschaft.de.

Ausführlicher Bericht als PDF-Datei

Dr. Rudolf Halberstadt ist Leiter des Arbeitskreises “Frieden, Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit” der Evangelischen Akademikerschaft in Deutschland.

Liste der zitierten Vortragenden

  • Prof. Dr. Günther Bachmann, Generalsekretär des Rates für Nachhaltige Entwicklung
  • Klaus Brunsmeier, Stellvertretender Vorsitzender des BUND
  • Dr. Daniel Fischer, Universität Lüneburg
  • Thilo Hoppe, Vorsitzender der Kammer für nachhaltige Entwicklung der EKD
  • Cordelia Kopsch, Oberkirchenrätin EKD, Leiterin der Projektstelle der EKD „Diskurs Nachhaltige Entwicklung“
  • Oliver Kaczmarek, Mitglied des Deutschen Bundestages
  • Prof. Dr. Torsten Meireis, Universität Bern
  • Prof. Dr. Dirk Messner, Vorsitzender Wissenschaftlicher Beirat für globale Umweltveränderungen
  • Ina Richter, Institute for Advanced Sustainabilty Studies (IASS), Potsdam
  • PD Dr. Uta von Winterfeld, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie