Das Klima-Buch von Greta Thunberg Rezension

Magdalene Schönhoff hat das neue „Klimabuch“, herausgegeben von Greta Thunberg, gelesen und empfiehlt es sehr zur Lektüre (unterm Weihnachtsbaum ?!). Das umfangreiche Werk bietet ein Kompendium unseres Wissens zur Klimakrise mit allen wissenschaftlichen, gesellschaftlichen und philosophischen Aspekten. Es geht nicht nur um Wissensvermittlung – das Anliegen ist vielmehr, den Bezug zu unserem Leben (und dem unserer Nachkommen) herzustellen, so dass wir uns als Beteiligte und Mitgestalter unserer Umwelt verstehen:

Auf knapp 500 Seiten hat Greta Thunberg mit Unterstützung von über 100 Wissenschaftlern die bisher vielleicht umfassendste populärwissenschaftliche Sammlung wichtiger Klimafakten aus Geophysik, Mathematik, Ozeanographie, Meteorologie, Ökonomie, Psychologie und Philosophie zusammengestellt. Das Klimabuch informiert u.a. über den menschlichen Einfluss auf die Evolution, über die Treiber des Klimawandels, über den Jetstream, über Eisschilde, boreale Wälder und terrestrische Biodiversität.

Interessant ist z.B., dass manche Arten sich an eine wärmere Welt nicht durch eine geographische Verlagerung, sondern durch eine verringerte Körpergröße anpassen.

Die Erklärungen zu den Kipppunkten und Rückkopplungsschleifen von Johan Rockström und von Stefan Rahmstorf machen fassungslos. So erfolgt die Überschreitung der Kipppunkte nicht unbedingt abrupt. Ihre Auswirkungen zeigen sich möglicherweise erst nach Hunderten oder gar Tausenden Jahren. Ein Beispiel ist der Anstieg des Meeresspiegels aufgrund des Abschmelzens des Inlandeis. Dieses Abschmelzen wird Jahrhunderte oder Jahrtausende anhalten und der Meeresspiegel wird auch danach noch tausende Jahre auf hohem Niveau bleiben. Schon durch eine Erhöhung der Durchschnittstemperatur um 1,5 verdammen wir, wie der IPCC gezeigt hat, zukünftige Generationen zu einem mindestens 2 m höheren Meeresspiegel, auch wenn dieses Niveau erst in 2000 Jahren erreicht werden dürfte. Daraus ergibt sich ein ganz neuer ethischer Zeithorizont.”

Stefan Rahmstorf schreibt: „Wir haben genügend Eis auf der Erde, um den Meeresspiegel um 65 m steigen zu lassen…Beim Anstieg des Meeresspiegels wird es nicht mehr lange um Millimeter, Zentimeter oder Dezimeter gehen. Selbst wenn die Veränderung Zeit braucht, muss uns klar sein, dass es nichts ist, an das wir uns anpassen könnten.“

Die Erwärmung der Erde wird über Land und in den Polargebieten schneller erfolgen.

Selbst wenn wir die Emissionen augenblicklich auf null reduzieren würden, würden sich trotzdem die Gletscher über Jahrzehnte oder Jahrhunderte zurückziehen und die Ozeane würden weiter sich erwärmen und ansteigen.

Ein destabilisiertes Klima führt zu einer destabilisierten Welt. Die Klimakrise wird die Konflikte und gesellschaftlichen Probleme verschärfen. „In dem Maße, wie die Lage schlimmer wird – und das wird sie – werden wir erleben, dass immer mehr autoritäre Politiker auftreten und als Reaktion auf immer komplexere Probleme einfache Lösungen und Sündenböcke anbieten.“ (Greta Thunberg)

Die Aufgabe scheint geradezu unmöglich: eine Zukunft für das Leben auf unserem Planeten zu sichern. So schnell und umfassend zu handeln wie noch nie zuvor. Was zu tun ist (Greta Thunberg):„Anfangen, die Krise als Krise zu behandeln. Sich der Notlage stellen.“ Und ganz sicher: “Sich weiterbilden…Denn warum sollten wir unsere gesamten Gesellschaften transformieren, wenn wir nicht begreifen, dass wir es tun müssen?“

Greta Thunberg bringt konkrete Vorschläge zum Klimaschutz, u.a. :

  • alle möglichen Kohlenstoffsenken maximieren.
  • Ökozid als Straftat
  • Ab sofort sollten jährlich verbindliche Kohlenstoffbudgets aufgrund der besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse und des IPCC-Budgets festgelegt werden, das uns zumindest eine 66 – prozentig Chance gibt, die Erderwärmung unter 1,5 Grad C zu halten“.
  • Renaturieren.

„Mangroven, Wälder, Feuchtgebiete, Moore, Meeresböden, Flüsse und Grasland haben ein enormes Potential, Kohlenstoff zu binden, weitaus mehr als jede heutige technologische Alternative“.

Greta Thunberg beschreibt die Klimakrise auch als ein Versagen der Medien.

  • „In unserem gegenwärtigen System haben private Unternehmen einseitige und autoritäre Kontrolle über weite Bereiche des öffentlichen Lebens“.
  • Wie aber „sollen wir dieses unbequeme Thema ansprechen, ohne Menschen aus der Ruhe zu bringen?…

„Dies ist die grösste Geschichte der Welt. Über sie muss gesprochen werden, soweit unsere Stimmen tragen und weit darüber hinaus.  Sie muss erzählt werden: in Büchern und Artikeln, in Filmen und Songs, am Frühstückstisch, beim Mittagessen und bei Familientreffen, im Aufzug, an Bushaltestellen und in Geschäften….“

Erinnert dieser Aufruf Greta Thunbergs nicht an die Anfänge des Christentums und an die Geschichte von Jesus, den Nazarener? Wie würde Jesu diese größte Geschichte der Welt heute erzählen? Welche griffigen Gleichnisse über die Nächstenliebe würde er heute, in diesen kritischen Jahren, in denen das Schlimmste noch verhindert werden kann, überall im Lande verbreiten?

Und würden die Menschen ihm zuhören wollen?

Prof. Robin Wall Kimmerer sieht in ihrem Buchbeitrag eine Kombination aus Umweltwissenschaft und Philosophie als zwingend an. „Ein neues Narrativ für die Beziehung zwischen Menschen und Orten sollte fragen: Was verlangt die Erde von uns? Spiritualität ist vielleicht unsere wichtigste Anpassung“

Dies könnte bedeuten, sich als „Mitglied des heiligen Lebensgeflechts“ zu fühlen und „dem Ruf der Liebe zu folgen“.

Prof. Kimmerer schließt mit einer eindringlichen Frage: „Horcht: Welcher Ruf geht von der Liebe an euch?“

»Hört auf die Wissenschaft, bevor es zu spät ist!«

– Greta Thunberg: Das Klima-Buch, S. Fischer Verlage, Frankfurt am Main, 512 Seiten, 36,00 Euro, ISBN 978-3-10-397189-7.

 

Magdalene Schönhoff