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Menschliche Gedanken über die physikalische Zeit

Es sollte uns eigentlich wundern, dass die Zeit nicht umkehrbar ist, denn den grundlegenden physikalischen Gleichungen der Mechanik ist die Zeitrichtung egal. Aber so, wie Wärme nur vom Heißen ins Kalte fließt und nicht umgekehrt, so geht die Zeit von der Vergangenheit in die Zukunft und nicht umgekehrt. Bei jedem Vorgang, bei dem Wärme eine Rolle spielt, geht ein Teil der ursprünglichen Ordnung in Unordnung über, aber dass sich Unordnung spontan von allein ordnet sehen wir nicht. Das ist die Zeitrichtung: Von 2 Zuständen ist der der spätere, der die größere Unordnung oder Entropie besitzt. Morgens sind alle Bauklötzchen der Kinder in einem Eimerchen und wir wissen also, wo sie sind. Je später es wird, desto mehr sind die Klötzchen verstreut und wir wissen nicht mehr, wo sie sind. Die Zeit drückt aus, wie viele Möglichkeiten es gibt, die wir nicht kennen, solange wir nicht genau zählen. Die Klötzchen-Entropie ist also die Anzahl der Mikrozustände d.h. all die Möglichkeiten, wo überall die Klötzchen liegen könnten. Der Makrozustand ist gut bekannt: Alle Klötzchen sind im Kinderzimmer. Es ist auch nicht weiter verwunderlich, dass jede Woche irgendjemand in der Lotterie gewinnt. Wer genau gewinnt, ist dagegen nicht vorhersagbar. Daran erkennt man, dass die Zeit ein Durchschnittswert aller möglichen Prozesse ist, nichts Eigenständiges.

Wir messen niemals die Zeit selbst, sondern immer nur physikalische Abläufe, Pendelbewegungen, Schwingungen. Galilei hat, so geht die Legende, während der Messe die Pendelbewegungen des großen Kronleuchters mit der Anzahl seiner Pulsschläge verglichen. Die Zeit selbst ist nichts, was man messen kann. Es gibt nur solche Vergleiche.

Noch ein Zweites kann uns wundern: Dass nämlich von zwei extrem genau gehenden Uhren, immer die schneller geht, die höher steht. Die Uhr im 1. Stock geht schneller als die im Keller. Einsteins Erklärung: Massen –  im Beispiel die Erdmasse – machen alle Prozesse langsamer.  Und wenn wir die Uhr mitnehmen, während wir in einem Raumschiff die Erde ein paarmal umkreisen, dann geht unsere Uhr im Vergleich zu einer auf der Erde gebliebenen etwas nach, wenn wir wieder gelandet sind. Und wenn wir, was unmöglich ist, mit Lichtgeschwindigkeit geflogen wären, wäre für uns gar keine Zeit vergangen. Das Licht altert nicht, es kennt nur den gegenwärtigen Augenblick.

Zur Erklärung sei gesagt, dass Raum, Zeit und Schwerkraft in einer komplizierten Geometrie miteinander verwoben sind. Das Gravitationsfeld ist die Raumzeit oder die Raumzeit ist das Gravitationsfeld. Die Raumzeit krümmt sich stärker dort, wo mehr Materie konzentriert ist. Deshalb geht die Uhr im Obergeschoss schneller als die im Keller. Jedes Objekt im Universum hat seinen eigenen Zeitverlauf und das ist das Gravitationsfeld, das ihn vorgibt.

Die Welt ist nicht ein riesiger Kasten, in dem Sterne herumfliegen und wo an der Wand eine riesige kosmische Uhr die Zeit anzeigt, sondern die Welt besteht aus Wechselwirkungen und sonst nichts. Nur wenn wir aus großer Entfernung einen verschwommenen Blick auf die Welt werfen, scheint es uns, als gäbe es Raum und Zeit.

Carlo Rovelli schreibt: “Die Wärme der schwarzen Löcher ist wie der Rosetta Stein in der Physik, geschrieben in einer Kombination von 3 Sprachen – Quantenmechanik, Gravitationstheorie und Thermodynamik und wartet noch darauf, entziffert zu werden, um die wahre Natur der Zeit zu offenbaren.” (Übersetzung von K.B.)

Dies alles sagt uns, dass alles in der Tiefe anders ist, als es uns an der Oberfläche erscheint und dass wir also bei allem was wir tun, nicht nur den Verstand sprechen lassen sollten, sondern auch die Seele.

K.B.

 

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