Rezension Chaim Be´er: Rückkehr aus dem Refa`im Tal - Roman

Rezension

Wer sich nicht mit hierzulande allgemein unbekannten Facetten des zeitgenössischen Judentums in Israel auseinandersetzen möchte sollte diesen Roman nicht kaufen. Denn über 379 Seiten hinweg bilden jüdische Traditionen, ihre z.T. strengen Regeln und deren Konfrontation mit der Moderne den Hintergrund für die gesamte Handlung und die Charaktere der zentralen Figuren.

Der Protagonist, der erfolgreiche und in der Öffentlichkeit gefeierte Schriftsteller Elisha Milgroim, in einem traditionell geprägten Haus aufgewachsener Jude, nähert sich aus Bewunderung für die schönen Bräuche und kulturellen Angebote des Christentums (sie werden teilweise auch näher beschrieben) christlichen Kreisen in Jerusalem an, sympathisiert (wie übrigens viele andere auch) mit dem Christentum und schwankt sein Leben lang zwischen Christentum und Judentum – ohne allerdings jemals zu konvertieren. Reden kann er über seine religiöse Gedankenwelt vor allem mit seinem Sohn. Ob seine Lebensgefährtin Naomi Salkinson etwas ahnt? – erwirbt sie doch eine Grabstätte auf dem internationalen christlichen Friedhof in Jerusalem, die für ihn bestimmt ist. Zeitweise beeinflußt seine Nähe zum Christentum auch sein literarisches Schaffen – mit kritischen Äußerungen zum Judentum erregt er die Medienwelt und auch sein Freundeskreis verändert sich ein Stück weit.

Älter geworden klären sich seine religiösen Gedanken dann schließlich, er besinnt sich und wendet sich offensichtlich wieder ganz dem jüdischen Glauben zu. So scheint für die Öffentlichkeit alles wieder in Ordnung zu sein. Bis der Schriftsteller während eines Aufenthaltes bei einer Freundin in Polen – dort wollte er seinen neuen Roman abschließen – völlig unerwartet verstirbt.

Beigesetzt wird er – den Eigentumsverhältnissen entsprechend – in seinem Grab auf dem christlichen Friedhof von Jerusalem. Sein treuester Freund, der in diesem Roman von Chaim Be´er die Rolle des Erzählers ausübt und einen Dokumentarfilm über das Leben des Protagonisten zu drehen beabsichtigt, berichtet von dem Aufschrei, den die Beerdigung des Juden Elisha Milgroim in christlich gesegneter Erde auf dem internationalen Friedhof von Jerusalem bewirkt: es rumort erheblich in Presse, Funk und Fernsehen, auch in Familie und Freundeskreis. Rund ein Jahr später spitzen sich die Debatten auf Betreiben seines Sohnes dann derart zu, dass eine Handvoll Freunde unter dessen Leitung beabsichtigt, seinen Leichnam zu exhumieren und in den jüdischen Friedhof zu transferieren – wegen der generell gebotenen Totenruhe ein problematisches Unternehmen. Ob der Plan umgesetzt wird??? Jedenfalls kann trotz aller Verhinderungstaktiken seiner rätselhaften Lebensgefährtin Naomi Salkinson und dank der Beharrlichkeit eines guten Freundes das Manuskript seines letzten Romans posthum veröffentlicht werden und wird zu einem großen Erfolg (wieder verbunden mit großem Medienspektakel).

Ein spannender Roman, der nicht nur interessante Einblicke in die Medienwelt Israels und gesellschaftliche/politische Entwicklungen des Staates bietet (auch Ministerpräsident Netanjahu wird erwähnt), sondern eben auch den Blick auf besondere Merkmale von jüdischen und christlichen Lebensweisen wirft und (quasi ganz nebenbei) auch meisterhaft von familiären und amourösen Verwicklungen des Protagonisten erzählt.

Fast alle Handlungen und Entwicklungen werden in Gesprächen vorgestellt, die dicht und nahezu atemlos aufeinander folgen und die Spannung auf das weitere Geschehen erhöhen. Hin und wieder war es nötig, ein paar Abschnitte zurückzugehen um zu verstehen, wer gerade mit wem und worüber spricht.

Der Autor Chaim Be`er, Jahrgang 1945, lehrte hebräische Literatur an der Ben-Gurion-Universität im Negev in Be`er Sheva und hat zahlreiche Romane, Gedichte und Essays veröffentlicht.

Ins Deutsche übertragen wurde der Roman von Daniel Maoz, wohnhaft im Saarpfalzkreis. Durch Vermittlung eines gemeinsamen Freundes habe ich die Aufgaben von Lektorat und Drucklegung mittels Self-Publishing übernommen und bin sehr dankbar für diese Begegnung. Meine Empfehlung zur Lektüre des Romans spreche ich sehr gerne aus – bietet sie doch weit über alle aktuellen Ereignisse und Debatten zur Lage in Nahost hinaus authentisch Einblick in das Leben der Menschen in Israel, in religiöse Normen und Regeln und gewährt somit seltene Einsichten in eine uns größtenteils unbekannte Welt.

So ist dieser Roman eine bereichernde Lektüre für alle, die sich gerne tiefer einlesen möchten in die Welt des Judentums im modernen Israel – für alle, die spannende Biografien mögen, sowieso…

Chaim Be`er: Rückkehr aus dem Refa’im Tal – Roman, Taschenbuch, Verlag epubli, 2024, 379 S., 17,99€, ISBN: 978-3-8187-0137-6

 

R. Freudenberg, 67071 Ludwigshafen