Ostergruß

Rheinbach, den 31.3.2023

Liebe Mitglieder der Evangelischen Akademikerschaft im Rheinland!

Wir grüßen Sie herzlich mit guten Wünschen für ein gesegnetes Osterfest 2023.
Wir hoffen sehr, dass es Ihnen auch in diesen aufgewühlten Zeiten einigermaßen gut geht und die Kraft des Glaubens Ihnen immer wieder gestärkt wird.

Den Text, den Sie nachstehend lesen können, hat Reinhard Schmidt-Rost über 40 Jahre hin aufbewahrt und hier leicht kommentiert uns zur Erinnerung wiedergegeben. Auch wenn er nicht mehr im Vorstand aktiv ist, begleitet er unsere Arbeit doch weiterhin mit Sympathie und nicht ohne Engagement.

Im Namen des Vorstands

Dorothee Teschke


Reinhard Schmidt-Rost, Bonn, den 31.3.2023

Am 31.3.1983, es war Gründonnerstag, also heute vor 40 Jahren, erschien unter dem Titel”Das ewige Kreuz” in einer überregionalen deutschen Tageszeitung ein Beitrag von Günter Rühle,

seinerzeit für das Feuilleton dieser Zeitung tätig. 
“Das ewige Kreuz
Die Mächtigen dieser Welt unterhalten uns nun schon seit Jahren mit Bildern des Schreckens. Kein Tag vergeht, ohne dass nicht die Rede ist von Rüsten, und Gegenrüsten, von Sprengköpfen, von Raketen, Kampfzonen, Vernichtungskapazitäten, und keine Verhandlung über Abrüstung, selbst kein Vertrag kann verhindern, dass es auf Gebieten, die der Vertrag nicht einbezieht, umso kräftiger weitergeht. Der Himmel selbst, in denen wir nach den schönen naiven Träumen von Erlösung seliger aufzufahren hofften, als die waffenumstellte Zukunft uns noch verheißt, sieht die Raketen auf sich gerichtet. Und wer von den Mächtigen, die Gott im Munde führen, denkt daran, was Gott über die erdachten und tatsächlichen Vernichtungszüge der Menschen auf der Erde denken mag, wenn er denn, wie wir es seit Jahrtausenden hören, ihr Herr ist?Es müsste der Zorn in die Menschen fahren ob dieses Zustandes, aber Menschen sind es ja eben, die den Zustand herbeiführen. Wohin man sieht, starrt die Welt in Waffen, und der eine rechtfertigt sein martialisches Gebaren mit dem des anderen, mit seinem Recht und dem Unrecht des anderen. Nicht ohne Grund spricht man von Teufelskreis; das Wort hält wenigstens etwas von der mythischen Dimension der denkbaren Apokalypse gegenwärtig, wenn der ‘deus absconditus’ denn schon ganz und gar verborgen und stumm ist. – Heute Morgen leben noch Menschen, die heute Abend keines natürlichen Todes gestorben, keiner Katastrophe zum Opfer gefallen, sondern in den geplanten Vernichtungskämpfen geschlachtet oder gehemmt sein werden; und die Täter werden selbst wieder zu opfern, und die Opfer schaffen noch durch sich selbst neue Täter. Von Persien bis nach Mittelamerika reichen die Beispiele rund um die Welt.
Die Kreuzigung war nicht ein Ereignis von einem Tag. Der dort von seinen Feinden aufs Kreuz gelegt und genagelt, zum Dürsten gebracht und dann noch gestochen wurde, ist doch zum Urbild der Welt geworden, ihrer Feindlichkeit und Verblendung und der Lust an der Vernichtung. Wir hätten, sagen nun die Prediger, auf Ostern, auf die Auferstehung zu warten, das Wunder sei schon im Moment der tiefsten Betrübung unterwegs? Das heraufziehende Ostern ist nur wie ein Atemschöpfen oder ein Augenaufschlag, der Dienstag schon wird die alte Schrecknis wieder zu Gesicht bringen. Wir haben als Kinder gelernt, das Kreuz sei ein Zeichen der Verheißung. Zu viele sind beschäftigt darzutun, das Kreuz sei nichts anderes als das Kreuz: Vernichtungsgebälk. Und so: ein ewiges Zeichen.“
Ich habe diesen Text – so Schmidt-Rost – auf den mich 1983 eine Studienfreundin aufmerksam gemacht hatte, Jahre später in einer Osterpredigt zitiert und daran den folgenden Gedanken angeschlossen:
„Wenn das Neue, das nur in Menschenherzen wachsen kann, nicht derart unvergleichlich anders ist als alle von Menschen erdachten und erdenkbaren Maßstäbe und Maßnahmen zur Bewahrung und zur Erneuerung der Welt oder des Denkens, dann wird auf längere Sicht die Gattung Mensch zu existieren aufhören, dabei sind nur Menschen, soweit wir das beurteilen können, überhaupt zum Denken solcher radikalen Erneuerung fähig, müssen als einzige Gattung von Lebewesen nicht auf biologische Anpassung warten und hoffen. Sie können sich die rettende Erneuerung immerhin vorstellen; sie aber planend herbeizuführen, dazu scheinen sie (noch) nicht in der Lage zu sein, denn die konstitutionelle Selbstliebe verhindert logisch und psychologisch die radikale Erneuerung, das stabile Vertrauen, das der Versöhnung einen dauerhaften Grund gäbe.

Menschen verharren, wenn sie sich bedroht fühlen, bei der wechselseitigen Verurteilung: „du bist für mich gestorben“ mit der tödlichen Konsequenz der Rache, um alle Verunsicherung abzuwehren. Der Glaube aber: du Christus bist für mich, für uns alle gestorben, eröffnet Freiräume gegen Rache und Vergeltung als Hüter von Ordnung, wälzt schwere Steine von belasteten Beziehungen.

Die Menschheit hat bei dem Geschehen um Kreuz und Auferstehung Jesu Christi von Anfang an nur hilflos zusehen können, betroffen von der Einsicht in die eigene Unversöhnlichkeit, viele haben so getan, als ginge sie das alles nichts an. Wer sich aber ermutigen lässt, doch hinzuschauen, der sieht die Bloßstellung der Unversöhnlichkeit durch das Opfer Christi und beginnt auf das Ende aller Opfer, auf den Sieg der Liebe und des Lebens zu hoffen; diese Hoffnung kann man in Taten umsetzen, und sie an Ostern feiern.“