Die Seele des Menschen ist und bleibt ein Geheimnis Impuls 8

 

 

 

 

 

 

 

 

Nennt ihr das Seele (von Rainer Maria Rilke)

Nennt ihr das Seele, was so zage zirpt
in euch? Was, wie der Klang der Narrenschellen,
um Beifall bettelt und um Würde wirbt,
und endlich arm ein armes Sterben stirbt
im Weihrauchabend gotischer Kapellen, –
nennt ihr das Seele?

Schau ich die blaue Nacht, vom Mai verschneit,
in der die Welten weite Wege reisen,
mir ist: ich trage ein Stück Ewigkeit
in meiner Brust. Das rüttelt und das schreit
und will hinauf und will mit ihnen kreisen…
Und das ist Seele.

 

Das Auftauchen von menschlicher Personalität, von Personen mit „Seele“ ist  für mich das Ungewöhnlichste und Großartigste in der ganzen Natur- und Menschengeschichte. Dieses Geheimnis lässt sich keineswegs evolutionär erklären. Wozu auch der große Aufwand, um das Seelenleben zu schaffen, wenn Überleben vielleicht auch ohne das gehen könnte?

In den analytisch-rational forschenden Naturwissenschaften kann man nichts über eine Seele erkunden. Sie ist unverfügbar und nicht zu entschlüsseln. Der Seelenbegriff ist technisch-naturwissenschaftlich absolut unbrauchbar. Auch die 1. Person, das Subjekt, wird in den Naturwissenschaften methodisch ausgeklammert. Ein Ort im Gehirn kann bedauerlicherweise nicht ausgemacht werden. Durch keine noch so raffinierte Anordnung von materiellen Teilchen oder von irgendwelchen neuronalen Schaltkreisen kann eine Brücke ins Reich unserer Seele geschlagen werden. Das Synapsengestöber bleibt undurchsichtig. Schaut man sich Bilder unseres neuronalen Netzwerkes mit seinen Abermillionen Nervenzellen an, sieht man diesem Zellhaufen nicht an, dass er durchaus hassen kann.

Im spirituell-emotionalen, existentiellen Zugang dagegen kann die erlebende Seele als das innerste, schattenhaft sich wandelnde, mannigfaltig schillernde  Zentrum des Ichs-Gefühl  begriffen werden. Unser verborgenes Selbst! Flimmernde Spiegelungen in einem fiktiven, imaginären Innenraum erleben wir als unsere geheime Innenperspektive. Unendlich mannigfaltige Bilder rauschen durcheinander, Geschehnisse fluten hinweg, und wir fühlen uns eigenartigerweise als Mittelpunkt dieses Treibens, wohl unterschieden von der Welt da draußen.

Die unfassbare Seele des Menschen ist kein Ding und keine Sache, und sie ist nicht auf sich allein gestellt. Sie wird auch nicht im neuronalen Dschungel des Gehirns „gemacht“, obgleich sie davon abhängig ist. Wir spüren selbst: unsere Seele ist nicht nur ein „Anhängsel“  unseres  Gehirns. Wir sind als unsere ganze Persönlichkeit beteiligt, mit unseren Sinnesorganen und unserem verletzlichen Körper. Die  Seele hat Teilhabe an der Natur, an der Kultur und allem, was wir um uns herum vorfinden. Vor allem an unseren liebsten Menschen.

Wir haben nur Ahnungen über unsere eigene Seele. Leider haben wir vom Innenleben der Menschen um uns herum auch nur Vermutungen. Dabei sind wir einen wesentlichen Teil unseres wachen Denkens damit beschäftigt herauszufinden, wie die anderen denken und empfinden. Und das geht selten auf.

Pflegen wir unser Seelenleben, denn es ist sehr leicht verletzbar. Ein Weg dazu wäre eine aufbauende Spiritualität, die sich vergewissert, dass wir am Ganzen der Welt irgendwie „kleben“.

M.S.

 

Hier geht es zum vorangegangenen Beitrag.

Hier geht es zur Webseite des Arbeitskreises Glaube und Naturwissenschaft.

1 Gedanke zu „<span class="entry-title-primary">Die Seele des Menschen ist und bleibt ein Geheimnis</span> <span class="entry-subtitle">Impuls 8</span>“

Schreiben Sie einen Kommentar zu Christine Treiber Antworten abbrechen