Die Tagung – vor der Pandemie geplant, durch diese um ein Jahr verschoben und schließlich statt auf dem Uni-Campus in Essen online durchgeführt – wurde veranstaltet von der ESG Duisburg-Essen in Kooperation mit der ESG Wuppertal, der Arbeitsstelle Interreligiöses Lernen der Universität Duisburg-Essen (UDE) und der Evangelischen Akademikerschaft in Deutschland, Landesverband Rheinland und war gefördert vom Hochschulbeirat der EKD.
Erwachsen ist das Thema „Interkulturelle Aspekte zum Verständnis von Gesundheit und Heilung“ aus einem medizinethischen Semesterschwerpunkt der ESG Duisburg-Essen im WS 2019/20 und SoSe 2020: Das Projekt BluStar.NRW des Instituts für Transfusionsmedizin der Universitätsklinik Essen suchte Unterstützung darin, Mitbürger*innen mit Migrationshintergrund zu überzeugen, sich als Blut- und/oder Stammzellenspender*in registrieren zu lassen, weil diese als Spender*innen unterrepräsentiert sind und dadurch für sie medizinische Versorgungsengpässe auftreten können. Was kaum jemand weiß: weltweit unterscheiden sich die Blutgruppen stark. Ausreichend Spender*innen mit passenden Bluteigenschaften vor Ort zu haben, kann für Menschen aus anderen Erdteilen überlebenswichtig werden. Als ESG stehen wir dafür ein, dass jedem Menschen in gleicher Weise medizinisch geholfen werden kann. So haben wir uns gerne ansprechen lassen, unsere im engen Kontakt mit internationalen Studierenden gewachsene interkulturelle Kompetenz für BluStar.NRW einzubringen.
Die Pandemie hat es in neuer Weise gezeigt: Gesundheit und Heilung geht alle existenziell an. Und – wirksamer Gesundheitsschutz erfordert globale Perspektiven und Kooperationen. Unsere kulturelle Identität prägt dabei den Umgang mit unserem Körper und medizinischen Möglichkeiten fundamental. Der Evangelische Hochschuldialog hat dem Diskurs über interkulturelle Aspekte zum Verständnis über Gesundheit und Heilung Raum gegeben und mit seinen drei Teilen zu Gender, interreligiösen und soziokulturellen Aspekten, das interdisziplinäre Gespräch angeregt.
Die aktuelle und grundsätzliche Relevanz des Themas für unsere Gesellschaft und das Hochschulleben haben zu Beginn Prof. Dr. Barbara Buchenau, Prorektorin für Gesellschaftliche Verantwortung, Diversität und Internationalität der UDE und Prof. em. Dr. Reinhard Schmidt-Rost, Vorstand des Landesverbandes Rheinland der EAiD, eingeordnet. Den Text von Herrn Schmidt-Rost finden Sie unter folgendem Link: Grußwort zum Hochschuldialog
Dr. med. Amma Yeboah aus Köln, Fachreferentin des ersten Abends, leuchtete das Thema zur Bedeutung von Gender exemplarisch aus medizinischer Perspektive aus. Der Weg hin zu personalisierter Medizin ist eröffnet, deren weitere Ausgestaltung stellt eine wichtige Zukunftsaufgabe dar. Das Konzept von „Heilung“ steht in der evidenzbasierten Medizin interessanterweise weniger im Mittelpunkt als das Konzept von „Behandlung“ von Krankheitsbildern. Dr. Maren Jochimsen, Geschäftsführerin des Essener Kollegs für Geschlechterforschung an der UDE, moderierte den anregenden interdisziplinären Austausch.
Prof. Dr. Thorsten Knauth, Institut für Ev. Theologie und Arbeitsstelle Interreligiöses Lernen an der UDE und Moderator des Tages eröffnete den zweiten Tag mit einem Impulsreferat, in dem er u.a. darauf hinwies, dass Religionen mit unterschiedlichen Deutungsmustern einen Beitrag dazu leisten können, zu ergründen, was Heils-Sein bedeuten, was für Prozesse der Heilung wichtig sein kann und wie Menschen Erfahrungen von Unvollkommenheit und Angewiesenheit auf andere integrieren können.
Als Beispiel für solche unterschiedliche Deutungsmuster kamen Vertreter*innen von vier Religionen zu Wort:
Der Religionswissenschaftler Prof. Dr. Werner Kahl aus Hamburg sprach über Heilung als Prozess des In-Ordnung-Bringens aus seinem reichen, reflektierten Erfahrungsschatz des Arbeitens und Lebens als christlicher, evangelischer Religionswissenschaftler an der Missionsakademie in Hamburg und in Ghana.
Rabbinerin Natalia Verzhbovska aus Köln führte anschaulich in die jüdische Auslegungstradition zum Thema Gesundheit und Heilung ein. Es wurde u.a. deutlich, dass viele religiöse Gebote an der körperlichen Unversehrtheit orientiert sind.
Dr. med. Mimoun Azizi aus Düsseldorf, Arzt, Philosoph und Schriftsteller erläuterte u.a., welche Erwartungen vom arabischen Kulturraum bzw. Islam geprägte religiöse Menschen an ihre Ärzt*innen und Therapeut*innen herantragen – und wie in der ärztlichen Praxis die Beachtung kulturprägender religiöser Deutungsrahmen und Praktiken die Akzeptanz und Wirkung medizinischer Maßnahmen verbessern kann.
Prof. Dr. Carola Roloff von der Akademie der Weltreligionen in Hamburg, selbst praktizierende Buddhistin, eröffnete ihren fachlichen Impuls zum Thema Achtsamkeit als zentralen buddhistischen Zugang zu Gesundheit und Heilung mit einer praktischen Übung. So wurde erfahrbar wie ritualisierte Körperübungen darin unterstützen können Aufmerksamkeit zu lenken.
Das anschließende Gespräch zeigte exemplarisch, wie das interreligiöse Gespräch zum Thema Gesundheit und Heilung bereichert, Horizonte weitet und zum Verständnis für Menschen verschiedener Kulturkreise untereinander anleiten kann.
Nachmittags gab Dr. med. Cornelia Baumgart in ihrer Rolle als Koordinatorin des inzwischen erfolgreich abgeschlossenen Projekts BluStar.NRW an der Universitätsklinik Essen Einblick in ihre projektbezogenen Erfahrungen und verwies so sehr konkret auf die soziokulturelle Dimension von Gesundheit und Heilung: Die medizinische Perspektive bedarf der transdisziplinären Ergänzung, um Menschen bestenfalls erfolgreich behandeln und heilen zu können.
Internationale Studierende hatten im unmittelbaren Anschluss an die thematischen Impulse noch die Gelegenheit in einer moderierten Gesprächsrunde miteinander das Gehörte mit ihrer eigenen Lebenssituation und Erfahrung zu verbinden.
Am Ende der Veranstaltung stand der einhellige Wunsch nach einer Fortsetzung des begonnenen Diskurses. Vielleicht bietet sich dazu die Gelegenheit.
Dr. Claudia Andrews, Pfarrerin